Als die britische Großbank Barclays im Frühjahr ihre neuen Unternehmenswerte präsentierte, stand sie vor einer ganz besonderen Herausforderung: Wie sollte sie die neuen Werte an die hunderte von Investmentbankerinnen kommunizieren, die sich im Mutterschaftsurlaub befanden? Die Lösung lautete: Die Bank eröffnete eine Tageskrippe für Babys und Kleinkinder, während ihre Mütter einem Vortrag über die neuen Werte lauschten.
Einige Zyniker mögen einwenden, dass junge Mütter vor dringenderen Aufgaben stehen als eine Strategie-Präsentation zu verfolgen. Dennoch zeigt dies, dass die Banken dem Thema Frauen und Karriere mittlerweile größere Beachtung schenken. Es bleibt allerdings noch viel zu tun.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage von eFinancialCareers unter 5000 Finanzprofis weltweit. So sind 88 Prozent der Teilnehmerinnen aus den USA überzeugt, dass Frauen in der Finanzbranche immer noch diskriminiert werden – 86 Prozent in Großbritannien, 64 Prozent in Singapur und 57 Prozent in Hongkong. Allerdings gaben nur 46 Prozent der Teilnehmerinnen an, dass bei ihrem aktuellen Arbeitgeber Diskriminierung vorkomme. In Großbritannien waren es 37, in Hongkong 23 und in Singapur 19 Prozent.
Obgleich die Banken mittlerweile diverse Programme aufgelegt haben, um den Frauenanteil unter den Führungskräften zu steigern, scheint der durchschlagende Erfolg auszubleiben. Nur 34 Prozent der Teilnehmerinnen aus Großbritannien glauben, dass Frauen auf den Führungsebenen angemessen repräsentiert sind. In den USA sind es immerhin 40, in Hongkong 49 und in Singapur sogar 60 Prozent.
Der Faktor Familie
Dabei fällt auf, dass die Zahlen auf den niedrigeren Karriereebenen deutlich besser ausfallen. So gaben in den USA und Großbritannien 80 Prozent der Teilnehmerinnen an, dass Frauen hier gleichmäßig repräsentiert seien. In Singapur waren es sogar 90 Prozent und in Hongkong 76 Prozent.
Auch wenn es sicherlich zu einfach wäre, dies auf das Problem Kinder und Karriere zu verkürzen, spielt es doch eine eminente Rolle. „Es ist komplizierter als dies nur auf eine Auszeit für Kinder zurückzuführen. Nicht alle Frauen haben Kinder und sicher kehren die meisten Frauen, die in den Mutterschaftsurlaub gehen, zur Arbeit zurück“, sagt die Diversity-Beauftragte Guelabatin Sun von der Deutschen Bank in Frankfurt. „Eine Menge von Frauen sind Hauptverdiener und kümmern sich hauptsächlich um die Kindererziehung, was einen enormen Druck erzeugt – eine Erfahrung, die die meisten Männer nicht machen, wenn sie mit ihren privaten und beruflichen Verantwortungen jonglieren.“
Dagegen zeigen unsere Umfrageergebnisse, dass flexible Arbeitszeiten eine zentrale Rolle spielen. In sämtlichen Ländern, in denen die Umfrage durchgeführt wurde, handelte es sich um das Hauptproblem – noch vor Förderung, Unternehmenskultur, Quoten und Training gegen Vorurteile. In Großbritannien gaben 35 Prozent an, dass flexible Arbeitszeiten das größte Problem für Frauen darstellen – in Singapur waren es 42, in Hongkong 25 und den USA 24 Prozent.
„Bankerinnen, die flexible Arbeitszeiten bedürfen, müssen auch emotional dazu ermuntert werden, dies voll zu nutzen. Dabei müssen auch die Kollegen und Vorgesetzten einbezogen werden. Es darf keine hochgezogenen Augenbrauen geben, wenn Sie das Büro frühzeitig verlassen“, betont Karrierecoach Jennifer Liston-Smith von My Family Care, die Familien mit fordernden Karrieren berät. „Frauen kennen das Spiel. Sie gehen früh, kämpfen darum einige Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, und arbeiten nach dem Zubettgehen der Kinder. Es geht nicht darum anwesend zu sein, sondern die Arbeit zu erledigen.“
Die Deutsche Bank wird bei ihrer Diversitäts-Kampagne „Woman Global Leaders Program“ von Opportunity Now begleitet. Dabei werden talentierte Frauen beraten, wie sie es zum Managing Director (MD) bringen. Seit dem Programmbeginn haben 174 Frauen daran teilgenommen und 30 Prozent davon haben es bereits zum MD geschafft. Bei 84 Prozent stiegen zumindest die Verantwortlichkeiten.
Citi berichtet sogar, dass nach dem Beginn des „Maternity Transitions Program“ in 2009 der Anteil der an den Arbeitsplatz zurückkehrenden Mütter auf 97 Prozent gestiegen ist. Nach den Erhebungen von Citi bekommen Frauen ihr erstes Kind nach durchschnittlich zehn Berufsjahren. Es kommt also gerade in der kritischen Phase, in der sich oft entscheidet, ob jemand Führungsverantwortung übernimmt oder nicht.
„Kinder haben einen großen Einfluss. Sie verändern auch die Einstellung der Frauen zu den Unternehmen, für die sie arbeiten wollen. Entweder wechseln sie zu einem anderen Unternehmen, weil sie den neuen Arbeitgeber für familienfreundlicher halten oder sie verlassen das Banking ganz, weil sie nicht mit den Werten übereinstimmen und sie ein Vorbild für ihre Kinder sein wollen“, sagt Liston-Smith.
„Der anhaltende Glaube an die traditionellen Bürojobs und Karrierewege – anstatt von Zickzack-Karrieren – zementiert diese Situation“, ergänzt Sun von der Deutschen Bank. „Kürzeren Arbeitszeiten und beweglichen Arbeitspraktiken hängt immer noch ein Stigma an. Trotz ‚Best Practice‘ verhindern derartige Vorurteile, dass dies normal wird.“
Wieso Frauen regelmäßig schlechter als Männer bezahlt werden
Unsere Umfrage bestätigt wieder einmal, dass Frauen immer noch schlechter als Männer bezahlt werden. 88 Prozent der Teilnehmerinnen aus den USA gaben an, dass sie für eine ähnliche Funktion schlechter als ihre männlichen Kollegen vergütet werden. Die meisten Frauen beziffern den Unterschied auf beachtliche 21 bis 30 Prozent. In London stimmten dem 81 Prozent der Teilnehmerinnen zu, wobei die meisten den Abstand auf 11 bis 20 Prozent beziffern. In Singapur und Hongkong fallen die Ergebnisse ähnlich aus. Erstaunlich ist auch, dass die meisten Teilnehmerinnen mit einem hartnäckigen Bestand der Gehälterlücke rechnen.
Dagegen hält es der ehemalige Global head of talent management und derzeitige Gastprofessor an der Cass Business School Chris Roebuck nur für eine Frage der Zeit, bis sich die Situation zum Besseren wendet. „Die Leute an der Spitze sind immer noch in der männlich dominierten Form der Vorkrisenzeit, aber die neu eingestellten Mitarbeiter sind vielfältiger. In zehn Jahren hat sich das Problem erledigt.“
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